Gian Francesco Malipiero

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*  18. März 1882

†  1. August 1973

von Joachim Noller

Essay

Schon vor dem 1.Weltkrieg machte Italiens fortschrittliche Intelligenzija Front gegen den traditionellen, in seinen zeitgenössischen (spätveristischen u.a.) Formen als dekadent empfundenen Opernstil. Die kulturelle Vorherrschaft der Oper zu brechen, die Musik aus den dramatischen Zwängen (Wortgebundenheit, Vorrangstellung des Szenischen, sängerische Willkür) zu befreien, ihr unter Ausschöpfung aller Ausdrucksmöglichkeiten die verlorengegangene Souveränität zurückzuerstatten, darin bestand das Ziel eines nicht nur musikalisch, sondern auch kulturell relevanten Erneuerungsprogramms. Es war Sache jüngerer Komponisten, die noch vage Programmatik zu konkretisieren und in die Tat umzusetzen. Mit „reiner“ und im weitesten Sinne „symphonischer“, d.h. vor allem instrumentaler Musik wollte man das Bild vom gesangsfreudignaiven Italiener widerlegen. Malipiero machte hier keine Ausnahme. Daß sein kompositorischer Werdegang am Beispiel seines qualitativ hochwertigen Streichquartett-Schaffens dargestellt werden kann, ist dafür symptomatisch. Gleichwohl hätte es seiner Veranlagung widersprochen, die Bühne fortan ganz zu meiden. Ein außergewöhnliches musikdramatisches Ingenium befähigte ihn, die Krise, in die das „Melodramma“, die herkömmliche Form des italienischen Musiktheaters, geraten war, kreativ zu nutzen.

Prototypisch für die neue Musiktheaterkonzeption sind die 1918/19 entstandenen Sette Canzoni [Sieben Gesänge], die später als Mittelteil in das Triptychon L'Orfeide (1918/22) integriert wurden. An die Stelle einer kontinuierlichen ...